Neupert-Klavier, Baujahr circa 1880, von 425 auf 435 Hertz höher gestimmt

Johann Christoph Neupert (Bamberg) begann 1868 mit dem Klavierbau. Er schien sich gleich am neuesten Stand orientiert zu haben. Denn unser Klavier trägt die Seriennummer 1618. Natürlich zweifelt man auf der Suche nach dieser Nummer an deren Echtheit, wenn sie so undeutlich ist wie auf dem linken Bild. Daher sucht man weiter und findet die gleiche Zahl unten auf dem auslaufenden Steg der Mittellage:

Seriennummer an der Innenseite des Umbaus Seriennummer auf dem Steg

Neuperts erste notierte Seriennummer im Atlas der Pianonummern lautet aber 6900 und ist auf 1901 datiert. Den weiteren Seriennummern kann man entnehmen, dass der Bamberger Klavierbauer um 1900 2-300 Klaviere im Jahr gebaut hat. Daher muss man davon ausgehen, dass das Klavier aus unserem Hörbeispiel circa 1880 gebaut worden ist. Aber ist bereits auf dem genau genommen neuesten Stand, denn es ist ein so genannter Kreuzsaiter, der beim Bass-Steg eine so genannte Bass-Brücke zur Optimierung des Klangs besitzt,

Neupert Klavier Kreuzsaiter mit Bassbrücke

und bereits mit einer Mechanik mit Unterdämpfung ausgestattet ist:

Neupert mit Unterdämpfung

Da es somit deutlich vor dem Jahr 1939 gebaut worden ist, in dem man erst den Kammerton auf die heute üblichen 440 Hertz festgelegt hat, wurde das Instrument für 430 - 435 Hertz gebaut. Aktuell steht es auf der Tonhöhe von 425 Hertz und wurde vor einigen Jahren schon einmal von mir etwas höher gestimmt.

Neupert 425 Hertz verstimmt

Nun soll das Piano mit Flöten zum gemeinsamen Musizieren genutzt werden. Selbstorganisiertes aktives Musizieren. Vorbildlich! Das muss unterstützt werden. Ich verdeutliche das Risiko von Saitenbrüchen, denn die Saiten weisen sichtbare Rostspuren auf und stehen seit bald 140 Jahren unter Dauerspannung. Beim Probespielen hört man im Bass einige Töne, die auffällig verstimmt sind. Halten die Stimmnägel überhaupt eine höhere Spannung? Nachdem die Rahmenbedingungen geklärt sind, mache ich mich vorsichtig auf den Weg zum Erreichen eines riskanten Ziels. Ein deutlich vor 1900 gebautes Klavier muss man langsamer höher stimmen als ein neues Instrument. Gerade wegen des bekannten Risikos ist der Schongang angesagt. Das dauert dementsprechend etwas länger. Aber das Ziel wurde erreicht, ohne eine Saite zu verlieren! Das Pianoforte konnte um 10 Hertz auf 435 Hertz und somit passend zu den etwas tieferen Flöten gestimmt werden:

Neupert 435 Hertz gestimmt

Die als Kunstwerk gestalteten Pedale zeigen das uns längst bekannte Bild der Abnutzung: Nur ein Pedal, nämlich das rechte Tonhaltepedal wurde und wird benutzt. Das linke Pianopedal dient der Optimierung der Bandbreite des Dynamikspektrums in Richtung des Pianissimo, wird aber seit mehr als 100 Jahren so gut wie nicht benutzt. Das lässt sich aufgrund des immer gleichen Musters auch bei über 100-jährigen Pianos nachweisen. Hier läge also seit rund 100 Jahren ein Optimierungsansatz des aufrecht stehenden Klaviers, den die Klavierindustrie bis heute ignoriert. Kein Problem, könnte man meinen. Doch die Perspektive der Klavierhersteller selbst bester Marken scheint so schlecht zu sein, dass nahezu alle krampfhaft nach einem Käufer suchen. Der Selbstverkauf scheint der einfachere Weg zu sein. Einfacher, als sich darum zu bemühen, das akustische Klavier als eine Errungenschaft zentraleuropäischer Hochkultur zu verbessern.

Neupert verzierte Pedale

Die Firma Neupert gibt es übrigens heute immer noch. Sie produzieren weiterhin in Bamberg, sind also ihrer Region treu geblieben. Allerdings baut Neupert schon lange keine Klaviere mehr. Die Firma hat sich auf die Herstellung historischer Tasteninstrumente, also auf die Vorläufer des Pianofortes spezialisiert und ist in dem Bereich meines Wissens nach in Deutschland der letzte große Cembalobauer. Für Freunde historischer Tasteninstrumente ist Neuperts Sammlung ein Fundus großartiger Exemplare der Meister vergangener Zeiten, die sich seit 1968 im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg befindet.

nach oben Hörbeispiele